REACH Veränderung – Farbige Tattoos bald Geschichte?
Stand 12.11.2021
Etwa jeder zehnte Deutsche hat ein oder meistens gleich mehrere Tattoos. Jedoch werden durch eine Änderung der EU-Chemikalienverordnung „REACH“ ab dem 04.01.2022 ca. rund zwei Drittel aller Tattoofarben in der EU verboten. Dies hat drastische Auswirkungen, nicht nur auf den Kunden, sondern besonders auf die ganze Branche. Da die Verordnung zur Änderung erst am 18.06.2020 beschlossen wurde, konnten bisher noch keine Alternativen gefunden werden. Die Tätowierer sind ratlos, wie die Zukunft aussehen wird.
Warum werden die Farben verboten?
Zuerst einmal, was ist überhaupt REACH? REACH ist eine Verordnung der Chemikalienagentur der Europäischen Union (ECHA). Der Name steht für „Registration, Authorisation and Restriction of Chemicals“ also für die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe. Die ECHA hat am 04.01.2022 verboten, dass einige Chemikalien, die in vielen Tattoofarben genutzt werden, nicht zum Schutz der menschlichen Gesundheit beitragen. Die Chemikalien sollen gefährliche Stoffe enthalten, die Hautallergien und Auswirkungen auf die Gesundheit wie genetische Mutationen und Krebs verursachen. Außerdem soll das Ganze zum Schutz der Umwelt dienen, da weniger Chemikalien produziert werden und die Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie der EU soll erhöht werden. Warum diese Erkenntnis so plötzlich kommt und die Regelung so schnell umgesetzt wird, weiß niemand so genau. Farben, die seit Jahrzehnten genutzt wurden, sollen nun sozusagen von einem auf den anderen Tag komplett aus dem Sortiment entfernt werden.
Welche Konsequenzen ergeben sich?
Da die Verordnung für den gesamten Geltungsbereich der Europäischen Union gilt, hat das Ganze einige Konsequenzen. Es fallen in etwa zwei Drittel der Farben weg und auf diesen Absatz kann eigentlich kein Hersteller verzichten. Aber was bedeutet das im Endeffekt? Jeder Hersteller versucht so schnell wie möglich und natürlich auch so günstig wie möglich eine Alternative zu finden. Leichter gesagt als getan. Bis jetzt (Stand 12.11.2021) ist mir noch keine kaufbare Alternative bekannt. Die Frage ist jedoch, ob diese Alternativen überhaupt den Qualitätsstandard der alten Farben erreichen können. Bleiben die Qualität und die Haltbarkeit dieselbe? Und viel wichtiger ist doch, wie gut ist diese Farbe dann für die Haut? Da die Regelung schon Anfang 2022 in Kraft tritt, bleibt keine Zeit, um irgendwelche Langzeitstudien durchzuführen.
Neben dem gesundheitlichen Faktor ist da aber auch noch der Kostenfaktor. Die Hersteller werden für die neuen Farben mit Sicherheit mehr Geld nehmen als vorher. Somit werden auch die Kosten beim Tätowierer teurer und das trifft die Konsumenten. Tattoos sind so schon ziemlich teuer, man zahlt in Deutschland im Durchschnitt zwischen 100 und 150 € die Stunde, aber durch diese Regelung müssen sich manche Leute eventuell sogar die Frage stellen „Urlaub oder Tattoo?“. Um dem Ganzen aus dem Weg zu gehen, gäbe es die Möglichkeit sich außerhalb der EU tätowieren zu lassen. Macht das jeder, gehen die Tätowierer hier pleite.
Außerdem könnte durch diese Änderung der Schwarzmarkt florieren. Was macht man, wenn man sich hier kein farbiges Tattoo stechen darf? Richtig, man macht es einfach heimlich. So könnten viele leichtsinnige Leute denken und sich bei irgendeinem Hinterhof-Tätowierer etwas stechen lassen. Ist ja auch egal, wo die Farbe herkommt und ob das gefährlich für die Gesundheit sein könnte.
Welche Strafen sind zu erwarten?
Tätowierer, die sich nicht an diese Vorschrift halten, können hohe Strafen erwarten. Momentan ist die Rede von bis zu drei Jahren Haft oder eine Geldstrafe bei vorsätzlichem Verstoß. Bei einem fahrlässigen Verstoß gibt es schon eine Geldbuße bis zu 50.000 €. Bei diesen hohen Strafen wird kaum ein seriöser Tätowierer das Risiko eingehen.
Welche Alternativen gibt es bis jetzt?
Momentan ist es noch kaum einem Hersteller gelungen, die verbotenen Inhaltsstoffe durch andere zu ersetzen. Manche Hersteller wie zum Beispiel „World Famous Ink“, „Eternal Ink“ oder „Panthera Ink“arbeiten momentan mit Hochdruck an einer Lösung, um irgendeine Alternative bieten zu können. Der Hersteller „I AM INK“ ist momentan der einzige Hersteller, der angibt, dass er der Verordnung entsprechende Farben führen kann. Ob die Farben wirklich der REACH Richtlinie entsprechen, ist nach meinem Kenntnisstand noch nicht bekannt. Wenn man sich also nicht außerhalb der EU tätowieren lassen möchte, dann heißt es momentan für uns Konsumenten nur „Abwarten und Tee trinken“.
Wie sieht die Zukunft aus?
Man stellt sich nun die Frage, was ist wenn schnell REACH konforme Farben auf den Markt kommen? Vielleicht schaffen die Hersteller es auch die Qualität und Preise so gut wie möglich beizubehalten. Bleibt dann nicht alles beim Alten? Vorerst vielleicht ja, jedoch folgen 2023 direkt weitere Verbote. Genau ein Jahr später, am 04. Januar 2023, sollen die Pigmente Blau und Grün verboten werden. Dadurch fallen noch wesentlich mehr Farben weg und dafür Ersatz zu finden, soll noch deutlich schwerer sein. Außerdem sollen Zusätze von Inhaltsstoffen nur noch in geringsten Mengen vorhanden sein dürfen. Wenn so eine Regelung in Kraft tritt, dann macht es die Herstellung so gut wie unmöglich. Wie es die nächsten Jahre weitergeht, bleibt nur abzuwarten.
WErden die vielen tollen Watercolor Tattoos bedacht, wäre es sehr schade, wenn es sowas in Zukunft nicht mehr gäbe. Klar sind auch schwarz-weiße Maori Tattoos wunderschön. Aber ein wenig Farbe schadet doch nicht.