Digitale Artists in den Tiefen des Social Media

Ein Traum, den einige kreative Menschen sich erfüllen wollen: Auf Social Media groß werden, mit der kreativen Arbeit Geld verdienen und sich eventuell selbstständig machen.
Viele sind von diesem Traum aber unglaublich geblendet, denn es ist nicht einfach, sich einen großen Namen zu machen und wirklich den Sprung zum „Erfolg“ zu schaffen.

Auch das war lange ein Traum von mir – und damit entführe ich euch in meine letzten 10 Jahre Social Media, Selbstpräsentation und der Versuch, mit sich selbst ins Reine zu kommen.

Was ist ein digital Artist überhaupt?

Gute Frage! Denn das ist relativ leicht zu beantworten.
Traditionelle Künstler sind jene, die mit Papier, Leinwand, Aquarell, Ton, was auch immer gerade bei ihnen bereitsteht, arbeiten. Sie erschaffen also etwas physisches.
Digitale Künstler haben ihren PC, ihr iPad, was auch immer für ein Gerät und erschaffen damit etwas, nun ja, digitales. Aber auch das ist so weit gefächert, wie der gesamte Kunstbegriff. 3D-Modellierung, Game Design, Concept Art, Painting, Zeichnen, Musik, und und und. Der traditionellen, so wie der digitalen Kunst sind keine Grenzen gesetzt.

Ich bin selbst in der Anime- und Mangaszene unterwegs und bin daher ein digitaler Zeichner. Wie das so aussieht, hab ich mal in einen kleinen Comic gesetzt.

Der direkte Sturz ins Hobby

Durch meine damalige beste Freundin bin ich 2010 erst so richtig ins Zeichnen gekommen. Vorher habe ich natürlich immer nur für mich selbst etwas gemacht.. nur so nebenbei, um die Zeit tot zu schlagen, nicht wirklich etwas, in was ich viel Zeit stecken wollte.
Dann ging jedoch alles ziemlich schnell – durch die Liebe zum Anime und Manga Genre und dem Ansporn von meiner Freundin. Nach nur ein paar Wochen Zeichnen auf dem Papier habe ich jemanden auf myVideo entdeckt, die sogar am PC zeichnet und damit hat sich für mich ein Tor zu einer ganz neuen Welt geöffnet.
Innerhalb nach kürzester Zeit besaß ich ein Grafiktablett und nur ein paar Monate später einen Account auf deviantArt. Schnell hat sich das Hobby in eine Obsession entwickelt, in die ich mich komplett reingestürzt habe.

 

Die ersten Jahre

Schon seit Beginn war mir immer klar: Ich will etwas großes Erreichen, mich später mit Kunst selbstständig machen. Und damit folgten direkt zwei Themen, die einen neben dem Spaß die ganze Zeit verfolgen: Ausnutzung und Selbstüberschätzung.

Als Minderjährige war das Thema des Geldverdienens mit Zeichnen natürlich erstmal keine Option, doch deviantArt hatte auf der Website eine eigene Währung, die diese Regelungen erst mal ausgehebelt hat. Doch, wie viel Geld kann man verlangen? Und um ehrlich zu sein, wer denkt denn mit jungen 13 Jahren schon über sinnige Preise nach?

Spoiler: Ich nicht.

Für 20 deviantPoints habe ich komplette Illustrationen gezeichnet, an denen ich ca 5 Stunden (oder mehr) saß. Und das waren umgerechnet ungefähr 20 Cent. Je nach dem wie der Dollar stand, mal mehr, mal weniger. So etwas war natürlich komplette Ausbeutung, mit der nicht nur ich zu kämpfen hatte, aber auch viele andere junge Zeichner, die von ihrem perfekten Weltbild als eigenständiger Künstler getrübt wurden. Vor Allem, was das viel zu schnelle Geldverdienen betrifft.

Doch nicht nur das Thema Geld ist ein sensibles Thema. Dazu gehört auch Social Media.
Lange Zeit war ich nur auf deviantArt unterwegs, doch nach ca. 2 Jahren haben Twitter und Facebook-Seiten ihren ersten großen Boom gehabt. Als relativ junger Künstler möchte man diese Chance natürlich nutzen und springt auf jeden möglichen Hype-Train mit auf.
Man fühlt sich als Individuum wie ein Mittelpunkt von allem, denn that’s what’s all about: Selbstdarstellung, Darstellung seiner Werke und Künste.

Im Großen und Ganzen waren dies allerdings Themen, die sich nur in meinem Hinterkopf befunden haben und haben sich nie wirklich in den Vordergrund gestellt.
Im Leichtsinn habe ich so wie immer weitergemacht, auf deviantArt viele neue Freunde und andere Künstler kennengelernt. Weit weg von Deutschland, sogar von anderen Kontinenten!
Dadurch hatte es auch zur Folge, dass mein Englisch von Tag zu Tag besser wurde und auch das war ein ziemlich großer und guter Nebeneffekt für mich.

Die Freundschaften haben mich noch mehr angespornt, man hat zusammen gezeichnet, sich zusammen Geschichten und Charaktere ausgedacht.
Das war ein unglaublich großes Zusammengehörigkeitsgefühl, welches ich niemals wieder missen wollen würde.

Von Selbstmitleid bis zum Aufgeben

Doch nicht alles konnte so schön sein, wie von Anfang an. Denn irgendwann musste der Punkt kommen, in der mich die Realität eingeholt hat.
Durch die komplette Überarbeitung meiner Hand kam es dann zu meinem persönlichen Supergau. Für 1 1/2 Jahre hatte ich durch das Schreiben in der Schule und dem überschüssigen Zeichnen zu Hause, dem vielen Sitzen vor dem PC eine Sehnenscheidenentzündung.
Diese Entzündung hat sich ca. 18 Monate mitgezogen, ich konnte Klassenarbeiten in der Schule nur am Laptop schreiben, Mitschriften habe ich mit links gemacht (was nicht sehr leserlich war…), in Japanisch musste ich das Kanji-Schreiben ebenso mit links lernen, was unglaublich frustrierend war.
Zu Hause? Eigentlich hatte ich kompletten PC/ Konsolen-, Schreiben- und Zeichnen-Verbot, aber mal ganz ehrlich, wer hätte sich daran gehalten? Den ganzen Tag über habe ich eine Schiene getragen, zeichnen konnte ich natürlich nicht, den Rest habe ich trotzdem gemacht.
Wie hätte man sonst durch die Schule kommen sollen?
Alles in allem war es eine unglaublich schwierige Zeit für mich, psychisch hat mich die Situation sehr runtergezogen und ich war sowieso ziemlich unzufrieden, wie Dinge gerade liefen.

Social Media ist ebenso ein Fluch und Segen zugleich.
Neben Twitter und Facebook kamen Seiten wie Animexx, YouTube, paigeeworld (mittlerweile offline), Pixiv, Patreon und vieles mehr dazu.
Ein Internet-Selbst aufzubauen, ständige Kommunikation mit Followern und das Up-to-Date-Halten der verschiedenen Seiten war ein unglaublicher Aufwand und sehr Nervenaufreibend.
Das unterschwellige Konkurrenzdenken laugt einen aus, man vergleicht sich immer mit anderen, auch wenn man weiß, dass man das nicht tun sollte – und man möchte immer mehr Aufmerksamkeit.

Messen oder gemessen werden

Natürlich hat man zu Beginn nicht die Form von Feedback wie die Leute, die tausende Follower besitzen. Und so etwas zieht einem sehr den Wind aus den Segeln.
Als guten Ausgleich, weg vom „Digitalen“, weg vom „Internet“, gab es dann aber Anime Messen, oder auch „Conventions“ genannt.
2015 war ich das erste Mal Ausstellerin auf der NipponCon und 2 anderen kleinen Messen – und alle waren mehr als erfolgreich bei mir.
Normalerweise ist die Devise: Die ersten 2, bis vielleicht 3 Conventions sollte man nicht mit einem Gewinn rechnen, sondern nur mit Kostendeckung (z.B. Standkosten, Druckkosten, etc.) einiger Dinge und Hauptsache ist: Spaß haben.

Der Spaß war auf jeden Fall da, man hat viele Leute kennengelernt, egal ob Künstler oder Cosplayer, Conventionbesucher, die bei dir einkaufen, usw. und Freundschaften sind dabei entstanden. Conventions waren für mich, egal ob sozial oder finanziell, immer ein riesen Erfolg. Die Vorbereitungen haben sich immer gelohnt.

 

Mit dem Alter kommt die Weisheit…

Bis jetzt klang vieles ziemlich negativ, aber so ist die Realität manchmal.
Trotz harter Zeiten habe ich nie den Spaß am dem Zeichnen für mich verloren, doch für das Präsentieren außerhalb des eigenen Umfelds.
Einige Zeit hatte ich mich komplett zurückgezogen, das war zu Beginn meines Praktikums bis ‚rüber zu Beginn meiner Ausbildung als Fachinformatikerin. Doch habe ich die ganze Zeit gemerkt, dass mir etwas gefehlt hat, vor Allem, da ich die ganze Zeit Kontakt mit Freunden war, die auch zeichneten und wir zusammen Final Fantasy XIV gespielt haben.
Die Freundschaft und die FFXIV Community haben mich dann wieder zurück geholt – und das in einem gesunden Maß.

Das Posten auf Social Media passiert nur noch auf Instagramm, Facebook und manchmal Twitter. Dazu mache ich ein bis zwei Mal die Woche einen Livestream auf Twitch.
Aufträge nehme ich nur so viele an, wie ich auch wirklich abarbeiten kann, mit Wartelisten und angemessenen Preisen und guter Dokumentation von allem.

Die Corona-Pandemie hat mich mit allem nur wenig eingeschränkt – offen gesagt, hätte sie für mein Hobby nicht an einem besseren Zeitpunkt starten können. Dies mag für einige ziemlich zynisch klingen, aber als digital Artist bin ich nun mal nicht auf die analogen Wege angewiesen, also Conventions/ Messen oder ähnliches.

Ich würde sagen, das Alter, mit dem man anfängt Social Media zu nutzen, macht einen großen Unterschied für das eigene Selbstwertgefühl und die eigene Entwicklung.
Man sollte nicht zu früh damit anfangen, erst mal einige Jahre das Hobby für sich haben und sich erst dann an die Öffentlichkeit wagen.

Ich bereue allerdings nichts an dem, wie ich die Sachen angegangen bin. Denn aus diesen Erfahrungen hab ich ganz viel mitgenommen und gelernt. Und das habe ich gerne an euch weitergegeben! Es ist nun mal nicht alles so rosa-rot, wie es auf dem ersten Blick scheint.

Und wie geht es jetzt weiter?

Der nächste Schritt wird nicht die Selbstständigkeit sein. Um Gottes Willen, das habe ich schon lange an den Nagel gehängt.
Dennoch wird es, sobald die Covid-19 Situation es zulässt, als nächstes in Richtung Finanzamt gehen, um ein Kleingewerbe anzumelden. Nicht nur verlangen immer mehr Conventions eine Vorlage eines Gewerbescheins, sondern zwingt mich meine finanzielle Situation dazu (was nach Meckern auf hohem Niveau klingt).
Sobald meine Ausbildung in diesem Jahr beendet ist, kann ich mich neben meinem Hauptberuf als dann IT-Berater endlich nach Feierabend komplett aufs Zeichnen und aufs Game-Development konzentrieren.
Vielleicht sieht man sich auch mal auf einer Convention!

Und zum Schluss…

…zeige ich euch gerne meinen „Verlauf“ über die letzten Jahre.
Keiner wird mit großem Talent geboren. Alles ist (harte) Arbeit, viel Übung, Durchhaltevermögen und natürlich viel Spaß. Ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe, auch wenn ich keinen großen Bekanntheitsgrad habe. Und so sollte es bei euch auch sein: Seid stolz auf euch und euer Können!

Ich kann es kaum erwarten zu sehen, wie es in den nächsten Jahren so weitergeht.
Euch wünsche ich viel Spaß beim Kreativ-sein!

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