Die fahren ja nur im Kreis

Klischees wie diese oder auch „die verschmutzen die Umwelt“ und „das kann ja jeder“ höre ich andauernd. Die Rede ist natürlich von Motorsport oder in diesem Fall: Formel 1. Die sogenannte Königsklasse existiert seit 1950. Die Fahrer und Teams reisen wie eine Art Zirkus um die Welt, um auf den verschiedenen Rennstrecken der Länder gegen einander anzutreten. Ähnlich lange gibt es auch diverse Klischees und Vorurteile. Ich versuche mit diesem Blog ein paar von denen klar zu stellen. Seit über 15 Jahren verfolge ich die Formel 1, aber anders als beim Fußball beispielsweise, finde ich selten jemanden mit dem ich über die Geschehnisse eines Rennwochenendes reden kann. Wenn ich mal jemanden zum Quatschen gefunden habe, sind es in der Regel Personen die wenig bis gar nichts über den Sport wissen.

Dieses bisschen Auto fahren kann ich auch!

Und apropos Sport, genau von „solchen“ Leuten kommt eines der am meist genannten Klischees: „Das kann ja jeder“ oder auch „Rennfahrer sind keine Sportler“. Ich verstehe woher der Gedanke kommt, leider ist es aber nicht ganz so einfach. Es gibt zwei Hauptgründe warum Rennfahrer auf jeden Fall Sportler sind. 

Erster Grund: Die G-Kräfte. Die heutige Formel 1 ist schneller denn je, sowohl auf Geraden als auch in Kurven. Vor allem im Letzteren müssen Fahrer topfit sein. In den meisten Kurven wirken auf die Fahrer fünf G. Das heißt es wirkt das fünffache des eigenen Körpergewichts auf sie. Bei „Nicht-Sportlern“ tritt bei zwei bis vier G kurzzeitige Sehstörung ein und bei fünf bis sechs G sogar Bewusstlosigkeit.
Im folgenden Video sieht man wie Entertainer Stefan Raab in einem Stuntflugzeug sitzend solche G-Kräfte zu spüren bekommt.

Formel 1 Fahrer fahren zwar keine Loopings, dafür wirken die G-Kräfte durchschnittlich 600 mal pro Rennen auf sie (durchschnittlich 60 Runden mit ca. 10 Kurven bei denen mindestens 5 G gemessen werden).

Der zweite Grund ist etwas einfacher zu erklären. Jedes „unnötige“ Gramm Fett bedeutet mehr Gewicht und mehr Gewicht bedeutet langsamere Zeiten. In einem Interview in der Talkshow „The Graham Norton Show“ erklärt Lewis Hamilton (siebenmaliger Weltmeister) sowohl G-Kräfte als auch die Bedeutung seines Körpergewichts. 

Die verschmutzen die Umwelt!

Im nächsten Vorurteil geht es um die Umwelt. Ein Thema welches in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Logischerweise gerät Motorsport dadurch direkt in die Schussbahn vieler Umweltschützer. Zu Recht! Die Formel 1 hängt was dieses Thema angeht hinterher. Erst dieses Jahr wurden Budget Obergrenzen eingeführt, um nicht Unmengen an Ressourcen zu verschwenden. Erst 2025 stellt man auf E-Fuel um, also synthetischer Kraftstoff, welcher nicht auf fossilen Brennstoffen basiert. Diese und viele weitere kleinere Änderungen kommen meiner Meinung nach zu spät. Sollte man deshalb den Motorsport weiter als Umweltsau beschuldigen? Nein. Auch wenn solche Änderungen erst später als geplant kommen, entstehen im Motorsport Techniken und Systeme die früher oder später im PKW vor der eigenen Haustür wiederzufinden sind. Bestes Beispiel: Rekuperation. Diese entsprang dem Motorsport. Um nicht zu technisch zu werden: KERS, ERS oder eben auch Rekuperation sind Systeme mit denen man einen Elektromotor durch beispielsweise Bremsen wieder aufladen kann. Fast jedes Hybrid- oder Elektrofahrzeug nutzt dieses System. 1998 wurde das damals noch genannte KERS (Kinetic Energy Recovery System) von McLaren beim Großen Preis von Australien erstmalig eingesetzt. Und leider auch ein Rennen später wieder verboten. Seit 2009 dürfen Teams das Energie Rückgewinnungs-System wieder benutzen. Mittlerweile ist es ein wichtiger Bestandteil der modernen Formel 1, da der Elektromotor bis zu 160 PS zusätzlich liefert.

Aber auch die Fahrer müssen sich selbstverständlich sehr oft anhören, dass sie Umweltverpester sind, so zum Beispiel Sebastian Vettel in der englischen Talkshow BBC Question Time.

Der Heppenheimer ist einer der, leider zu wenigen, Fahrer die öffentlich auf solche Themen aufmerksam machen. Beispielsweise reisen er und mittlerweile auch ein paar andere Fahrer mit Bussen anstatt Flugzeugen. Er macht nach einem Rennen mit ein paar freiwilligen die Tribüne sauber. Manchmal macht er aber auch durch einfaches tragen von T-Shits oder speziellen Helmdesigns auf weltpolitische Themen aufmerksam. Unter anderem auch auf „Black lives matter“ „Human rights“ oder auch den Angriff Russlands gegen die Ukraine.

Wenn Sebastian Vettel mit dem Rennen fahren aufhören würde, wird er wahrscheinlich durch einen Fahrer ersetzt, dem die ganzen Themen weniger wichtig sind, beziehungsweise hat dieser Fahrer nicht die gleiche soziale Reichweite und damit weniger Einfluss auf die Welt in der wir leben.

Es gibt natürlich noch viel mehr Klischees. Um auf alle einzugehen würde aber den Rahmen sprengen und weit über die eigentliche Formel 1 hinausgehen. Als kurzes Beispiel: Frauen im Motorsport. Das in der Formel 1 aktuell keine Fahrerinnen gibt, liegt nicht daran, dass es für Frauen verboten ist zu fahren, sondern vielmehr, dass sie nicht genug gefördert werden. Rennen fahren ist immer noch ein sehr teurer Sport und die Fahrerinnen und Fahrer müssen viele Sponsoren und deren Gelder mit bringen. In den Führungsetagen der Großkonzernen herrschen aber immer noch veraltete Geschlechterrollen, weswegen es Frauen deutlich schwerer haben Sponsoren an Land zu ziehen wie ihre männlichen Kollegen. Aber wie gesagt, diese Thematik übersteigt die Formel 1, der eigentliche Schwerpunkt dieses Beitrages. Nichtsdestotrotz hoffe ich, dass ich ein paar Meinungen ändern und mehr Sichtweisen geben konnte.