David gegen Goliath, die Russland Edition
In diesem kurzen Blog möchte ich über das Thema Nawalny reden, dafür müssen wir aber eine kleine Zeitreise machen. Begleitet mich doch!
Attentat wie im Krimi
Während im August 2020 die Welt fest im Griff von SARS-CoV-2 ist, spielt sich am 20. August ein Attentat mit internationalen Konsequenzen ab. Während eines Fluges von Tomsk nach Moskau klagt der bekannte russische Oppositionspolitiker und Dissident Alexei Nawalny über Unwohlsein und verliert anschließend das Bewusstsein. Nach einer zweitägigen Behandlung in Omsk, eine Großstadt in Sibirien, wird Nawalny nach Deutschland in die Berliner Charité eingeliefert, wo eine Vergiftung mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok festgestellt wird. Der verwendete Giftstoff, die Anwesenheit von acht FSB Agenten im Flugzeug und ein später entlocktes Geständnis eines Agenten deuten darauf hin, dass Russland einen Kritiker aus dem Weg räumen wollte.
Doch was sagt Putin dazu?
»Aber warum gleich vergiften? Wen interessiert der schon? Wenn wir das gewollt hätten, hätten wir’s wahrscheinlich auch zu Ende gebracht«, so Putin.
Das angebliche Geständnis eines FSB Agenten sei nur ein Trick Nawalnys gewesen, oder wie Putin ihn nur nennt; den „Berliner Patienten“. Putin nennt Nawalny nicht beim Namen, sondern sucht sich alternative Bezeichnungen für ihn.
Siehe: Spiegel
Zufälle gibt’s
Doch warte einmal, kommt uns das Ganze nicht irgendwie bekannt vor? Wenn dich die Geschehnisse an einen ähnlichen Vorfall 2018 erinnern, dann zurecht. Am 4. März 2018 findet man einen Mann und eine Frau bewusstlos auf einer Parkbank in Salisbury, Großbritannien. Der Mann, Sergej Skripal, ein russischer Doppelagent, der in Russland durch die Weitergabe von Geheimnissen in Ungnade gefallen ist, und die Frau Julia Skripal, seine Tochter. Beide wurden vergiftet mit … na, errätst du es? Richtig! Mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok. Die mutmaßlichen Täter? Vier Männer, die Offiziere des russischen Militärgeheimdienstes GRU sind. Aber hey, sie waren dort nur zu touristischen Zwecken. Jegliche Vergiftung von fiktiven oder realen Personen ist rein zufällig.
Zwei Fälle, zwei Jahre dazwischen, zwei Fehlschläge
Doch, wie bei Nawalny, können beide wenige Monate später das Krankenhaus verlassen. Doch manche waren nicht so glücklich.
Ein Ehepaar, dass die Flasche, in der vermutlich das Gift transportiert wurde, gefunden hatte, zahlte einen teuren Preis.
Der 45-jährige Mann und seine 44-jährige Lebensgefährtin kommen Ende Juni wegen einer lebensgefährlichen Nowitschok-Vergiftung in das Salisbury District Hospital.
Nach wenigen Tagen verstirbt die Frau. Der Mann, Charlie Rowley, verlässt das Krankenhaus zwei Wochen danach, wird jedoch später noch Augenprobleme und eine Meningitis, eine Entzündung der Hirn- und/oder Rückenmarkshäute, entwickeln.
Siehe: Zeit, Wikipedia, Spiegel, Tagesspiegel
Rückkehr
Nachdem Nawalny sich von dem Attentat in Deutschland weitestgehend erholt hatte, tritt er am 17.01.2021 seinen Rückweg nach Russland an. Am Zielflughafen in Wnukowo hatten sich bereits zahlreiche Anhänger Nawalnys für seine Ankunft versammelt.
Wie reagierte Russland darauf?
Sein Flug wurde kurzfristig umgeleitet, in Wnukowo zogen Hundertschaften der Anti-Terror-Polizei OMON auf sowie mehrere Gefangentransporter. Etliche Menschen werden festgenommen, darunter auch Nawalnys enge Mitarbeiterin, die Juristin Ljubow Sobol.
Und Nawalny selber?
Nawalny wurde unmittelbar nach seiner Ankunft in Gewahrsam genommen, mit der fadenscheinigen Begründung, er habe während seiner Behandlung in der Berliner Charité gegen Bewährungsauflagen verstoßen. Am 22. Januar verkündet Nawalny noch in einer Instagram-Botschaft, er sei in einer guten körperlichen und geistigen Verfassung und wollte sich im Gefängnis nicht das Leben nehmen. Die für den Folgetag angekündigten Demonstrationen, in über 70 russischen Städten, gegen seine Verhaftung, werden von der Regierung als illegal erklärt und 3000 Menschen verhaftet. So leicht kann man es sich machen.
Siehe: Tagesschau, n-tv
Der Prozess
Während den Verhandlungen werden, laut Aktivisten, bis zum Abend 1300 Menschen in den umliegenden Straßen festgenommen.
Das Urteil, wenig überraschend, eine Haftstrafe. Dreieinhalb Jahre Straflager, von denen sein Hausarrest angerechnet wird, wodurch er auf voraussichtlich zwei Jahre und acht Monate Lager-Aufenthalt kommt. Doch das nächste Verfahren ist bereits im Rollen, diesmal ist es Unterschlagung von Spendengeldern. Es drohen bis zu zehn Jahre Haft.
Der Kreml-Kritiker könnte als für einige Zeit von der Bildfläche verschwinden. Doch der Schaden ist schon angerichtet, Nawalny hat den Regierungsapparat durch seine Rückkehr vor aller Welt herausgefordert.
Er hat den unzufriedenen Menschen in Russland eine Stimme gegeben und wird weiterhin als das Symbol des Widerstands stehen.
Siehe: Welt, Süddeutsche
Skandal nach Skandal
In einem durch die russische Polizei geleaktem Video ist zu sehen, wie der Journalist Gennady Shulga oberkörperfrei in seiner Wohnung auf dem Boden liegt, vor ihm ein Hundenapf mit Tiernahrung. Sein Kopf ist fest im Griff der Polizei und wird aggressiv nach oben gezogen.
In dem Video wird er zu den Protesten des 23. Januars „befragt“. Sinn und Zweck der Aktion? Einschüchterung und Demütigung.
Das ganze ging jedoch für die Polizei nach hinten los, denn der Aufschrei nach dem Video war groß.
Siehe: france24, upworthy, BBC
Nord Stream 2
Jetzt sollte man nach all den Ereignissen darüber nachdenken, ob man wirklich mit Russland Nord Stream 2 vollenden will. Deutschland ist nicht zwangsläufig auf das Gas angewiesen, natürlich ist es günstiger, aber wir können auch ohne dieses Projekt unseren Gasbedarf decken. Der größte Profiteur des Projekts ist Russland und damit wird auch zwangsläufig der russische Regierungsapparat und dessen Philosophie der Unterdrückung gestärkt.
Siehe: n-tv
Fazit
Wie man zu den genannten Themen steht, sollte jeder selber für sich herausfinden. Bei Interesse ist es ratsam eigenständig zu recherchieren. Mein kurzer Blog ist nur eine sehr knapp heruntergebrochene Zusammenfassung der Ereignisse mehrere Monate, in denen ich jegliche politischen Reaktionen, wie Sanktionen, Ausweisungen von Botschaftern, o.ä., außen vorgelassen habe, um den Rahmen nicht zu sprengen.