Zeitung und Corona – Wie passt das zusammen?
ein Beitrag zum Blog-Wettbewerb der BBS Haarentor von Lena Aden
Corona, Covid-19, SARS-CoV-2.
Vermutlich hätte man vor einem halben Jahr nicht viel im Internet dazu finden können. Doch heute zeigt Google 2.780.000.000 Einträge zu dieser Lungenerkrankung, beginnend mit den bestätigten Fällen, den Genesenen und mit den Todesfällen aus Deutschland.
Anfang des Jahres schien uns der Virus noch weit entfernt. So gesehen ein Thema aus aller Welt. Die Vorstellung war surreal, dass Menschen in den Supermärkten einen Streit um die letzte Packung Toilettenpapier führen würden.
Doch im März wurde das zur ernsten Angelegenheit. Das Corona-Virus hat sich in unsere Realität und in unser Leben geschlichen. Diese Krankheit kam schneller, als wir es uns hätten vorstellen können, und der Alltag, so wie wir ihn immer kannten, hat sich verändert.
Ebenfalls das Medienhaus Brune-Mettcker, darunter auch die Verlagshäuser der beiden Schwesterzeitungen „Jeversches Wochenblatt“ und „Anzeiger für Harlingerland“, mussten agieren. Sie stellten sich notgedrungen auf den Worst Case, eine zeitweise Schließung der Geschäftsstelle beziehungsweise sogar der Zeitungsproduktion ein. Wie verliefen die letzten zwei Monate im Verlag?
Als für die Auszubildenden im März der vorerst letzte Schulbesuch war, kam es im Verlag auch zu Veränderungen.
Es ist Montagmorgen. Ich sitze an meinem Schreibtisch auf der Arbeit und lausche:
Nichts. Ich höre nichts.
Es war so selbstverständlich, dass bei uns vorne im Leserservice immer etwas los war. Kunden kommen durch die Tür und möchten ihr Zeitungsabo unterbrechen, eine Geburtsanzeige aufgeben, oder sie suchen ein Buch für die Oma zum Geburtstag.
In der Küche und auf dem Weg zur Toilette trifft man immer einen Kollegen. Das Verlagshaus steckte voller Leben und erst vor Kurzem noch haben wir Azubis in einem von der Verlagsleitung geführten Seminar gelernt, wie der Verlag wirtschaftlich Umsätze generiert.
Doch jetzt ist es anders. Die Corona-Pandemie ist im März in vollem Gange und auf einmal verändert sich alles bis zum völligen Lockdown. Tag für Tag wird unser Leben immer mehr eingeschränkt, von der gewohnten Freiheit keine Spur mehr. Kunden können das Verlagshaus nicht mehr betreten. Es werden kontinuierlich weniger Anzeigen geschaltet. Viele Medien berichten vermehrt über Corona. Ich sitze an meinem Schreibtisch und höre nichts. Es herrscht eine ungewohnte, ja schon fast beängstigende Stille. Doch da, ein Telefon klingelt! Ich gehe ran. Ein Hotel muss notgedrungen die Lieferung seiner Zeitung auf unbestimmte Zeit unterbrechen. Warum? Es dürfen keine Touristen mehr einreisen und das Hotel muss vorübergehend schließen. Die Zeitungen würden sich stapeln und durch das fehlende Einkommen können Rechnungen, so auch der monatliche Abopreis, nicht bezahlt werden.
Etwas später erhalte ich per Mail eine Traueranzeige, die in unserem System eingepflegt werden muss. Der letzte Satz lautet: „Aufgrund der derzeitigen Situation findet die Beisetzung im engsten Familienkreis statt.“ So läuft das jetzt also. Ziemlich schwierig gestaltet es sich mittlerweile, wenn Familien telefonisch eine Anzeige aufgeben wollen. Die Kunden besitzen oftmals keine eigene E-Mail-Adresse und mal eben im Leserservice vorbeischauen ist nicht möglich. Unsere Türen müssen geschlossen bleiben. Trotzdem will und soll der Kunde vor Veröffentlichung der Anzeige noch einen Korrekturabzug sehen. Wie gut, dass Nachbarn und andere Familienmitglieder da aushelfen können.
ein Verdachtsfall
Am nächsten Sonntag bekomme ich eine Nachricht. Im Verlag gibt es einen “Verdachtsfall“ auf Corona. Jeder, der mit der betroffenen Kollegin Kontakt hatte, muss vorsorglich zu Hause bleiben.
Auch ich.
Derweil hatten die Geschäftsführer mit jeweils einer Person aus jeder Abteilung eine Corona-Task-Force gebildet. Diese hatte die Intention, dass es bei einer möglichen Infektion auf keinen Fall zum Stillstand der Zeitungsproduktion kommen sollte. Somit wurden Notfallpläne erstellt, um die Leser weiterhin jeden Morgen mit den neusten Corona-Nachrichten versorgen zu können. Darüber hinaus wurde ebenfalls viel Online berichtet. Es wurde beispielsweise für die Kunden ein Newsletter entwickelt. Die oberste Priorität bestand darin, dass die Leser Informationen erhielten. Aufgrund des Shutdowns des regionalen Wirtschaft sank auch im Medienhaus ein bedeutender Bereich zurück, die Anzeigen. Dadurch ist das Medienhaus seit April in Kurzarbeit gegangen und die Arbeitszeiten der Mitarbeiter wurden gekürzt. Für die Auszubildenden, die mit vollen Stunden arbeiten, bedeutet dies, dass nicht jeder Kollege zu jeder Zeit zur Verfügung gestanden hat. Mal eben kurz in das Büro nebenan laufen oder kurz anrufen geht nicht. Zuerst erfolgte ein verzweifelter Blick auf den Zettel mit den unterschiedlichen Arbeitszeiten meiner Kollegen. Einzige Lösung: Den Kunden vertrösten und dem zuständigen Kollegen eine Mail schreiben.
neue Möglichkeiten für die Azubis
Die Kurzarbeit bot uns Azubis aber auch die Möglichkeit, unser Können unter Beweis zu stellen. Im Leserservice durfte ich im ersten Lehrjahr mehr Verantwortung übernehmen und Aufgaben bearbeiten, für die sonst ein anderer Kollege zuständig gewesen wäre. Beispielsweise konnte ich so eine große Werbeanzeige eines Autohauses anlegen und etwas dazulernen. Seitens der Geschäftsführung erhalten wir einen hohen Vertrauensbeweis.
Mir wurde immer mehr bewusst, dass diese Zeit Folgen mit sich bringt. Ich bekam zwar einen persönlichen Vorteil, da ich mich in Bereichen weiterbilden durfte, die unter normalen Umständen nicht einsehbar gewesen wären. Jedoch waren die Kunden bei Gesprächen unzufriedener, angespannter und auch unhöflicher. Es kamen Beschwerden über die Fülle der Zeitung, über die Themen der Artikel und über den mit sich bringenden Preis unserer Zeitung. Der Standardsatz zum Ende eines Gespräches ist von „[…] einen schönen Tag noch.“ zu „[…] bleiben Sie gesund!“ gewechselt.
das Leben kehrt zurück in das Verlagshaus
Mittlerweile geht es nach diesem Tiefgang des Verlages mit der Öffnung vieler Geschäfte auch langsam wieder bergauf. Die Geschäfte inserieren wieder und endlich sind auch andere Themen wieder wichtig. Unsere Geschäftsstelle in Jever durfte Anfang Mai mit Einschränkungen öffnen. Jetzt können die Familien leichter eine Trauer- oder eine Geburtsanzeige aufgeben und die Kunden unterbrechen ihre Lieferung für einen Urlaub. Ebenfalls kommen häufiger Kollegen in den Verlag. Immer mehr kehrten aus dem Home-Office zurück und ich sah freudestrahlende und erleichterte Gesichter, mit Mindestabstand und Maske versteht sich. So langsam kam und kommt Leben zurück in das Verlagshaus. Obwohl die Kurzarbeit noch etwas andauert, fühlt es sich im Moment etwas mehr wie früher an, was sich auch bei den Kunden bemerkbar macht. Hoffentlich kann alles bald wieder seinen gewohnten Lauf gehen. Zwar werden wir noch eine Weile vom Plexiglas begleitet werden, aber eins ist sicher: Diese Arbeitsweise finde ich immer noch viel schöner als die vorherige Stille!