Ehrenamt ist Ehrensache
Ein heißer Samstagnachmittag, 19:50Uhr. Meine Freundin und ich freuen uns auf die Geburtstagsparty meines besten Freundes. Es soll Cocktails geben und einen kleinen Swimmingpool habe ich letzte Woche zusammen mit ihm aufgebaut und vorbereitet. Genau das Richtige mit Temperaturen von über 30°. Während meine bessere Hälfte wild durchs Haus läuft, weil sie ihre neue Jeans nicht findet, welche sie heute anziehen will, sitze ich auf dem Sofa und warte darauf, dass wir los können. Fußball läuft noch und mein Lieblingsverein aus Düsseldorf liegt 1:0 in Führung. Ein Angriff der Gegenmannschaft wird durch ein lautes Piepen übertönt.
Verkehrsunfall BAB1, mehrere Personen eingeklemmt
So schallt es aus dem kleinen Gerät neben mir. Ohne zu überlegen springe ich auf, schnappe mir die Socken, welche immer griffbereit direkt neben dem Autoschlüssel liegen. Ein kurzer Hinweis an Celina: „Einsatz! Ich melde mich nachher!“ Auf dem Weg zum Feuerwehrhaus schießen einem immer wieder die selben Gedanken durch den Kopf: „Was erwartet mich?“ und „Hoffentlich ist niemand verletzt!“
Da ich nur 200 Meter Luftlinie entfernt wohne, bin ich immer einer der ersten Kameraden, welche im Feuerwehrhaus ankommen. Innerhalb von Sekunden ziehen wir uns unsere persönliche Schutzausrüstung an. Ein kurzer Blick auf den Monitor, welcher direkt über mir hängt: Fahrtrichtung Bremen. Mit meinem Helm in der Hand springe ich auf unser Fahrzeug, was bei Szenarien wie diesem als erstes ausrückt. In der Kabine sind bereits 7 von 8 Plätzen besetzt. Ich ziehe die Tür hinter mir zu und der Maschinist fährt mit den Worten „Dann wollen wir mal“ aus der Halle.
Die Geburtstagsparty, der Pool und die Cocktails sind in meinem Kopf schon längst nicht mehr präsent. Während ein Kollege alle Kameraden mit Einweghandschuhen versorgt, werden von unserem Gruppenführer die ersten Einsatzbefehle erteilt: Daniel und Leon, ihr übernehmt die Erstversorgung der Patienten. Klaus und Marion, ihr kümmert euch um die technischen Rettungsgeräte auf dem Ablageplatz. Christian und Hannes, ihr stellt den Brandschutz sicher.
Glück im Unglück
Nach einer kurzen Anfahrt treffen wir an der Einsatzstelle ein. Zusammen mit Daniel mache ich mich mit dem Rettungsrucksack auf den Weg zum PKW. Ein LKW hat ein Stauende nicht rechtzeitig wahrgenommen und ist einem Wagen mit 5 Insassen aufgefahren. An der Leitplanke stehen 4 Personen. Die fünfte Person, der Fahrer, befindet sich noch hinterm Steuer. Durch den Aufprall ist es ihm nicht möglich aus eigener Kraft das Fahrzeug zu verlassen. Ein kurzer Augenkontakt mit Daniel bestätigt mich in meinem Gedanken. Das ist nochmal gut ausgegangen. Die beteiligten Personen sind alle ansprechbar und haben nur leichte Verletzungen.
Alle wissen, was zu tun ist
Während ich auf den Beifahrerersitz geklettert bin und dem Fahrer des PKWs erkläre was gleich passiert, sind auch schon die anderen Fahrzeuge unserer Feuerwehrwache eingetroffen. Um unsere eigene Sicherheit zu gewährleisten, wurde die Autobahn schon gesperrt. Der Angriffstrupp hat bereits mit der technischen Rettung begonnen. Technische Rettung bedeutet, dass der Fahrer mittels Rettungsgeräten aus dem Fahrzeug, wie zum Beispiel einer hydraulischen Schere, befreit wird. Während der Angriffstrupp schon angefangen hat das Dach abzunehmen, erkläre ich ihm also genau was passiert.
Das kann schon ganz schön unheimlich sein, wenn man in einem Auto sitzt und rundherum alles knackt und knallt. Aber genau dafür wurde ich ja bei diesem Einsatz eingeteilt und ich habe schließlich auch schon auf zahlreichen Lehrgängen gelernt, was ich zu tun habe. Eine halbe Stunde später, während ich mich noch mit dem Fahrer unterhalte, ist auch schon das Dach ab. Nun können wir ihn schonend über eine Trage aus seinem Sitz heben und der Rettungsdienst kann ihn weiter versorgen.
Einsatz beendet
22:05 Uhr. Nachdem die letzten Autoteile von der Fahrbahn entfernt wurden, geht es zurück zum Gerätehaus. Heute hat alles gepasst. Jeder von uns hat wieder 100% gegeben. Der Gruppenführer auf dem Beifahrersitz dreht sich zu uns um. „Sauber Jungs!“ Alle nicken zufrieden.
Genau in solchen Momenten wie diesem wird mir immer wieder klar, warum ich das ganze hier mache. Ein Ehrenamt ist meist mit einem hohen Zeitaufwand verbunden. Auch die psychische Belastung nach einem Einsatz, die man mit nachhause nimmt, kann einem manchmal ganz schön zu setzen. Doch das ganze wird auch bezahlt. Nicht mit Geld, sondern mit Teamgefühl und dem Wissen, dass man Menschen und Tieren in Notlagen helfen konnte. Ganz egal welche Religion, Nationalität oder Geschlecht.